Vermächtnisse
Die US-amerikanische Musikgruppe Conditions fragt in einem Lied aus dem Jahr 2010 Folgendes:
How will you make them remember your name
When everyone here seems exactly the same
Benjamin Kowalewicz, Frontmann der Band Billy Talent, singt auf dem selbstbetitelten zweiten Album:
They’ll think I’m insane
But you’ll all know my name
Aus diesen Zeilen spricht das tiefe Verlangen des Menschen, etwas zu hinterlassen, das für die Ewigkeit hält. Der Name soll bleiben. Der Name, und damit die Erinnerung an die eigene Person, das eigene Leben, die eigenen Errungenschaften. Man sagt: “der Mensch ist erst dann tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.” Wenn doch nur der Name bleibt! Es ist dies der Versuch, der Vergänglichkeit mit menschlichten Mitteln ein Schnippchen zu schlagen.
Und es gibt sie, die Ewigen. Der einflussreichste Mensch der Weltgeschichte war Jesus von Nazareth - man muss kein Christ sein, um diese Tatsache anzuerkennen. Auch Julius Cäsar überdauert die Jahrtausende, ob er nun aufgrund seiner Erfolge als römischer Feldherr und Politiker oder nur als Widersacher von Asterix und Obelix bekannt ist. Für Kleopatra, kurzzeitig die Geliebte Cäsars, gilt dies in gleichem Maße. Doch man muss kein Politiker oder gar Religionsstifter sein. Elvis Presley, Freddie Mercury, Michael Jackson: auch die Musik bringt ihre Legenden hervor.
Es gibt viele Wege, auf denen sich ein Name ins Gedächtnis der Zivilisation einbrennt. Sei es durch herausragend gute oder böse Taten. Doch mir scheint, ein Name bleibt umso länger im Gedächtnis, je vernichtendere Spuren die Person hinter dem Name auf der Leinwand des Weltgeschehens hinterlassen hat.
Es ist wohl nicht vermessen zu sagen, dass Adolf Hitler so gut wie jedem Menschen auf der Welt ein Begriff ist, unabhängig davon, ob die Tragweite des von ihm verursachten Leids in Gänze erfasst ist. Ohne auch nur einen einzigen Beitrag zum Wohle der Menschheit geleistet zu haben, hat es dieser Mann dennoch geschafft, dass in der Logik, einem Teilgebiet der Philosophie, ein Fehlschluss nach ihm benannt ist: argumentum ad Hitlerum. Gemeint ist damit die falsche Schlussfolgerung, dass eine Sache schlecht sein muss, weil Adolf Hitler sie vertrat (wäre dem so, dann wäre dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Ende der vegetarischen Ernährung).
Auch die Namen anderer Bösewichte und Verbrecher bleiben in Erinnerung. Neben Hitler muss Stalin als ein Kriegsverbrecher ersten Ranges genannt werden. Mörder wie Jack the Ripper gehören ebenfalls dazu. Sie alle haben geschafft, dass ihr Name in alle Ewigkeit nicht vergessen wird.
Doch ist es überhaupt erstrebenswert, dass der eigene Name möglichst lange in Erinnerung bleibt?
Würde man einen zufällig auf der Straße vorbeigehenden Passanten anhalten und nach einem bekannten Wissenschaftler fragen, dann wäre die Antwort wohl: Albert Einstein.
Der Physiker ist vielen ein Begriff, vielleicht auch seine berühmte Formel
Weniger bekannt ist das zerrüttete Verhältnis zu seiner ersten Ehefrau, Mileva Marić, und der wenig fürsorgliche Umgang mit seinen Kindern. Einstein war in keiner Weise das, was man sich unter dem Bild des “guten Vaters und Ehemanns” vorstellt. Im Buch Einstein. Eine Biographie von Jürgen Neffe (das die Grundlage für diesen Absatz bildet) finden sich viele Passagen, in denen der Physiker ganz anders dargestellt wird, als sein großväterliches Aussehen und der sanfte Blick vermuten lassen würden. Wären diese Dinge ans Tageslicht gekommen, wenn der Name Einstein ein Name wie jeder andere wäre, ohne Bedeutung für die Biographen dieser Welt? Ich denke nicht.
Manche Namen bleiben, andere vergehen. Viele Menschen, deren Leben der Erinnerung würdig war, sind vergessen, und anderer erinnern wir uns, deren ganze Existenz in einem unmarkierten Grab hätte enden sollen. Es liegt nicht in unserer Macht, das kollektive Gedächtnis der Menschheit zu beeinflussen. Und das ist auch gut so. Denn schlussendlich wird man nach reiflicher Überlegung nur zu einem einzigen Ergebnis kommen:
In the end, it doesn’t even matter